Hailey´s Daily´s


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Montag, 9. Februar 2015

Ich bin zehn Millionen Teil 1

Heute ist mal wieder so ein Tag, an dem ich essen könnte - unendlich viel essen könnte. Nudeln vom Vortag, Brötchen mit Butter und Wurst und Käse...und am Ende knurrt der Magen immernoch. Das Gewissen wird durch das viele Essen auch nicht beruhigt, sondern sendet mir meine zwei lieben Freunde Engelchen und Teufelchen. Diese saßen bei mir noch nie auf den Schultern, so wie in guten Happy-End-Filmen, sondern kommen frontal auf mich zugerast. Sie reden auch nicht bedächtig mit mir, nein, sie kommen an und plappern los wie zehn Wasserfälle. Mir wird schwarz vor Augen. Am Ende gewinnt immer das Teufelchen bei Essensfragen. Natürlich. Ich meine, diese Heißhungerphasen kennt wohl jede Frau, sie sind sicher völlig normal. Dennoch sind nur 2 von 10 Frauen mit sich und ihrem Körper im Reinen. Der Rest, dazu gehöre ich auch, verdammt diese Attacken nur. Wir stehen vor dem Spiegel, manchmal mehrmals am Tag, sehen uns an und denken: "Wo ist nur die hübsche schlanke Dame von früher hin?". Bei mir ist dieses früher nun schon gute zweieinhalb Jahre her. Seitdem nahm ich zu bin nun bei einem konstanten Gewicht. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich zwischendrin schon 3 Kilo mehr gewogen habe als jetzt. Also ist da doch ein kleiner Fortschritt, oder? Ja, dieser Satz ist definitiv von meinem kleinen Engelchen beeinflusst worden. Denn nun, wo ich hier auf meinem Sofa sitze und nach draußen starre - es ist passenderweise regnerisch trüb um die 0 Grad - merke ich, dass die Nudeln wohl eine Spur zu weit gingen. Es muss eine Änderung her. Wie jedes Jahr um die Zeit kurz vor Frühling, in der die Menschen von Natur aus versuchen ihre Körper fit für die Sommersaison zu machen. Ich lade mir also im Liegen meine neuen Sport-Challenges aufs Handy und beschließe morgen damit anzufangen. Na gut, heute, aber nicht jetzt sofort. Was könnte man denn noch unternehmen? Mindestens drei Liter trinken kann nicht schaden. Es hilft mir, die Giftstoffe aus dem Körper zu spülen und vielleicht kann ich damit auch den Hungerattacken vorbeugen. Ich stehe als auf und hieve meinen zu schweren Körper in die Küche um Tee aufzusetzen, ungesüßt versteht sich. Dann fällt mir etwas ein, dass ich schon lange mal ausprobieren wollte. Die Idee bekam ich bei einer Schülerin, die mir die neueste Errungenschaft ihrer Eltern zeigte: Chia Samen. Mit denen wollten die Eltern damals auch ein wenig an Gewicht verlieren. Mehr sagte sie dazu nicht. Nun wittere ich meine große Chance und recherchiere im Internet nach den kleinen Helferlein. Puh, ganz schon teuer der Spaß. Dann gönne ich mir diesen Monat eben ein Oberteil weniger und kann dann mit Kleidergröße 36 umso tollere kaufen. Schnell bestellt sind sie. Zu meiner Überraschung klingelt der Paketbote auch schon am nächsten Tag an meiner Tür und bringt mir das vermeintliche Wundermittel. Da ich von der abführenden Wirkung gelesen habe und heute nochmal aus dem Haus muss, lasse ich die Samen ersteinmal ungeachtet in der Küche stehen. Die Übungen aus meiner Handy-App habe ich natürlich immernoch nicht angefangen. Immerhin nehme ich zu meiner Schülerin heute mal das Fahrrad. Mein einziger Sport in der Woche - mit dem Rad zum Zug und wieder nach Hause und ab und an auch mal die 5 Kilometer bis zu einem der Schüler. Dass mein Po von dieser wiederkehrenden Übung straff bleibt war auch nur ein Traum. Wieder zu Hause gibt es kein Halten mehr. Ich fülle mir ein Glas mit Wasser und lasse 3 Teelöffel Chiasamen hineinrieseln. Dann warte ich. Sie sollen aufquellen, eine gallertartige Konsistenz annehmen. Nach 10 Minuten löffle ich ein paar aus dem Glas. Fühlt sich an wie ein kleines Stück Gelee mit einem kleinen festen Kern in der Mitte und schmeckt nach nichts. Ich trinke das Glas mit den Samen aus. Dann warte ich wieder. Erstmal passiert nicht viel. Mein Gehirn sendet ständig Botschaften wie: "Das war der erste Schritt zum Wunschgewicht." oder "Das ist ja einfacher als gedacht.", als mein Magen plötzlich auch etwas meldet - Völlegefühl. Tatsächlich fühlt es sich an wie ein großer schwerer Stein, der in meinem Magen liegt. Nicht schlimm, aber doch komisch. Nun nehme ich als meine gewohnte Position auf dem Sofa wieder ein und warte weiter auf Zeichen meines Körpers. Es tut sich was. Ich kann deutlich den Weg der Samen durch meinen Körper spüren. Der Klumpen scheint sich nicht auflösen zu wollen und rollt als schwerer Stein durch meine Gedärme. Komisch fühlt sich das an, mittlerweile nicht mehr ganz so gut. Dazu bilden sich Blähungen. Nach etwa 45 Minuten ist der Spaß vorbei. Es ist nichts mehr zu spüren, die abführende Wirkung aber auch nicht. Ich bleibe daher der festen Überzeugung, dass die Samen mich nun von innen reinigen werden und die Giftstoffe später mit hinausschleusen. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der Verantwortung übernommen werden muss. Ich bin nämlich nicht nur ich, sondern zehn Millionen. So viele Zellen machen den Körper nämlich erst zu dem, was er ist. Daher muss man jede Einzelne von ihnen hegen und pflegen.